Das Lean Management über einen umfangreichen Methodenkoffer verfügt, haben wir in unseren bisherigen Blogbeiträgen bereits mehrfach erwähnt. Doch bevor Sie einzelne Methoden anwenden, empfehlen wir Ihnen eine Ist Analyse durchzuführen. Ziel der Ist Analyse ist es, Verschwendung und damit überflüssige Arbeitsschritte zu identifizieren. Denn erst wenn Sie wissen, was genau Ihre Probleme sind, können Sie die für Sie passende Methode auswählen und erfolgreich anwenden. Nach der Ist-Analyse werden der Soll-Prozess und das passende Projektteam zusammengestellt. Erst dann geht es konkret in die praktische Umsetzung mit Lean Methoden.
Welche Lean Methoden gibt es?
Bei den Lean Methoden ist für jeden etwas dabei. Der Methodenkoffer umfasst Mini-Methoden für Einsteiger bis hin zu großen Methoden, die für Fortgeschrittene geeignet sind. Für unterschiedliche Herausforderungen gibt es unterschiedliche Methoden. Die Durchführung und Umsetzung der Methoden können in ihrer Intensität angepasst werden. Dadurch sind sie für jede Unternehmensgröße geeignet. Im Folgenden werden die fünf bekanntesten Methoden vorgestellt:
#1 Die Makigami-Methode
Makigami ist eine Form der Prozessflussanalyse. Der Begriff stammt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie gerolltes (Maki) Papier (Kami). Auf einer Papierrolle werden Unternehmensprozesse erfasst und visualisiert, indem sie in einzelne Prozessschritte zerlegt und auf einer Zeitachse als Flussdiagramm mit allen Schnittstellen dargestellt werden. Da die Analyse oft mehrere Meter lang wird, erschließt sich der Name der Methode. Am Ende der Prozessanalyse haben Sie eine lange Papierrolle erzeugt.
Die Makigami-Methode eignet sich vor allem für den Verwaltungsbereich. Ein Beispiel kann der Ablauf einer Bestellung sein. Dies umfasst den Prozess vom Kundenanruf mit Auftragserteilung bis zur Übergabe der Information an die Produktion.
#2 Wertstromanalyse
Analog zur Makigami-Methode ist die Wertstromanalyse eine Prozessanalyse für die Produktion. Hier geht es um die Analyse des Material- und Informationsflusses mit den Zielen: Darstellung der Material- und Informationsflüsse und deren Zusammenhänge. Mit der Wertstromanalyse oder auch Wertstromdesign werden Schwachstellen und Verschwendung bei der Produktherstellung aufgedeckt. Ziel der Wertstromanalyse ist es, nach der Ist-Analyse einen Sollprozess für Material- und Informationsfluss aufzubauen, der Verschwendungsfrei erfolgt. . Durch die Wertstromanalyse werden die einzelnen Arbeits- und Informationsschritte bei der Produktherstellung zunächst sichtbar und somit transparent gemacht. Danach werden beide Ströme vereinfacht bzw. verbessert und im letzten Schritt übereinandergelegt. So passen im Endergebnis Materialfluss und Informationsfluss ideal zueinander. Es fließen Informationen zur richtigen Zeit, so dass das Produkt ohne Verschwendung erstellt werden kann.
Mit beiden Methoden wird schnell klar, welche Arbeitsschritte überflüssig oder welche falsch angeordnet sind. Sowohl räumlich als auch in der Reihenfolge. Arbeitsschritte die sich als überflüssig darstellen werden komplett aus dem Prozess gestrichen. Arbeitsschritte die notwendig sind jedoch noch zu viel Zeit in Anspruch nehmen, werden durch die Ideen aller Beteiligten verbessert, verkürzt und somit optimiert.
#3 SMED
Die Abkürzung SMED steht für Single Minute Exchange of Die und bedeutet Werkzeugwechsel im einstelligen Minutenbereich. Bei dieser Methode werden die Rüstzeiten durch organisatorische und technische Maßnahmen verkürzt. Konkret werden die Zeiten optimiert und die Umrüstzeiten an den Maschinen verkürzt.
Mit einfachen Mitteln, einer Videokamera und einem Spaghetti-Diagramm wird der Prozess analysiert.
Aber was ist ein Spaghetti-Diagramm?
Eigentlich ganz einfach. Man nimmt ein Stück Papier und einen Stift. Auf dem Zettel steht der Grundriss des Raumes und wo die Maschine steht. Mit dem Stift wird der Weg des Maschinenrüsters notiert/gemalt. Eine Person läuft wie ein Schatten hinter dem Maschinenrüster her und zeichnet seinen Laufweg während des Maschinenumbaus auf. Am Ende sieht das Ergebnis aus wie eine sehr lange Spaghetti. Die andere Person mit der Videokamera läuft ebenfalls hinter dem Maschinenrüster her und achtet besonders auf die Handgriffe. Das Ergebnis der Ist-Analyse ist jede Mengen Klarheit über die Laufwege und Handgriffe der rüstenden Person. Es ist klar erkennbar an welcher Stelle sich Laufwege „knubbeln“. Des Weiteren wird deutlich in welche Ecke der Maschinenrüster sehr häufig laufen muss und auch in welchen entfernten Ecken sich die Person während des Rüstvorganges begeben muss. Die Aufzeichnung per Videokamera zeigt, welche Werkzeuge genutzt werden, ob diese gesucht werden müssen oder bereits sinnvoll und zentral angeordnet sind, welche Handgriffe ggf. doppelt gemacht werden etc.
Auch hier erhält man die gleichen Erkenntnisse wie bei der Makigami und der Wertstromanalyse. Es wird deutlich, welche Arbeitsschritte völlig überflüssig sind, welche zu lange dauern, falsch angeordnet sind oder in der falschen Reihenfolge im Prozess ablaufen. Aber auch das Thema Ergonomie wird hier behandelt. Sind die Arbeitsplätze ergonomisch aufgebaut oder wird viel Zeit verschwendet, weil sich die Mitarbeiter*innen häufig bücken oder auf Zehenspitzen stehen müssen.
Das Ganze wird dann in der Praxis oft mit den 5S kombiniert.
#4 5S – Methode
Die Lean Methode 5S ist der Evergreen, der absolute Klassiker für Ordnung und Struktur. Es beinhaltet das Aufräumen und Ordnen in fünf Schritten. Und diese fünf Schritte fangen alle mit einem S an.
Was steckt hinter den 5S?
- Sortiere aus
- Setzen (Sinnvolles Anordnen der Arbeitsgeräte)
- Säubere (Arbeitsplatz säubern und defekte Dinge reparieren)
- Standardisiere (Arbeitsprozesse)
- Selbstdisziplin (schaffe Bedingungen zur Einhaltung)
Kennzeichnen Sie im Rahmen einer 5S Aktion notwendige und unnötige Gegenstände und sortieren Sie alle unnötigen Gegenstände aus. Mit Hilfe von Werkzeugtafeln können Sie die notwendigen Gegenstände optimal im Arbeitsplatz anordnen. Dies erfolgt im ersten Schritt auf einfache Art und Weise, um die Idee noch weiter verfeinern zu können. So können Sie in diesem Schritt zunächst mit einfachen Folien und Schaumstoffen die Positionen von z.B. Werkzeugen visualisieren und festlegen. Des Weiteren können Sie mit Hilfe von Produkten wie Sichttaschen und Statusetiketten Ideen ausprobieren. Parallel zu diesen Schritten wird der Arbeitsplatz gesäubert und funktionsfähig gemacht. Das heißt es wird nicht nur geputzt und gefegt, sondern häufig auch repariert. All die Dinge die getestet, weiter verbessert und für gut befunden wurden, werden dann zum neuen Standard. In diesem Schritt würde eine Werkzeugtafel, die zu Anfang aus, Pappe oder Holz war, professionell gebaut. Denn jetzt können Sie sicher sein, dass der neue Standard die optimale Anordnung hat. Der letzte Schritt von 5S ist die Selbstdisziplin ist unerlässlich, um den neuen Standard aufrecht zu erhalten. Hier helfen oftmals einfache Feierabendregeln und das gemeinsame Aufräumen und Säubern an einem festen Termin in der Woche.
Der notwendige Aufwand für die Einführung der 5S Methode mag anfangs noch zeitaufwendig sein. Doch langfristig werden Sie Verbesserungen in Ihren Arbeitsprozess feststellen. Eine klare Strukturierung der Arbeitsflächen und feste Plätze für alle essenziellen Gegenstände reduzieren Suchzeiten und unnötige Laufwege. So können sich alle Mitarbeiter auf das Wesentliche und somit auf die Wertschöpfung konzentrieren. Schlussendlich hat alles seinen festen Platz und Sie wissen immer, wo alles Nötige ist. Denn 10 Minuten Suchzeit pro Tag machen im Jahr eine gesamte 5 Tage Woche aus und das pro Person. Wenn Sie diese Woche mit der Anzahl Ihrer Mitarbeiter*innen multiplizieren, erkennen Sie schnell, dass sich 5S rasch lohnen wird.
#5 Shopfloor Management
Als Hidden Champion kann die Shopfloor-Methode bezeichnet werden. Diese Methode beschäftigt sich mit der Kommunikation und Informationsweitergabe im Unternehmen, über alle Hierarchieebenen hinweg.
Dabei geht es insbesondere darum, dass der Letzte in der Informationskette genau die gleichen Informationen erhält, die der Erste kommuniziert hat. Außerdem sollen keine wichtigen Informationen verloren gehen. Also eine funktionierende Stille Post. Die sichere, sinnvolle und vor allem geregelte Kommunikation über alle Ebenen bringt viel Transparenz und hat den Vorteil, dass Wissensmonopole verschwinden. Das Wissen bleibt somit nicht nur bei einer Person verankert, sondern wird an die Kollegeninnen weitergegeben, damit die Sicherheit im Unternehmen gewährleistet ist. Zusätzlich wird im Rahmen dieser Methode noch daran gearbeitet, dass jeder die für sie/ ihn relevanten Informationen erhält. Die Informationen, die ich benötige, um optimal arbeiten zu können sind ggf. andere als die Informationen die Sie benötigen.
Wichtige Grundlage aller Lean Methoden
Neben diesen umfassenden Methoden ist es im Lean Management wichtig und sinnvoll, viel mit Visualisierung zu arbeiten. Das bedeutet, dass im Rahmen aller Methoden viel mit Beschriftung, Markierung und mit Farben gearbeitet wird. Egal welche Methode Sie anwenden, achten Sie auf die Kennzeichnung und Visualisierung.
Besonders in den Lagern der Unternehmen sollte eine klare und strukturierte Beschriftung vorhanden sein.
Allen Methoden gemeinsam ist die Struktur. Nach dem Motto „Verschwendung raus, Wertschöpfung rein“ werden mit Hilfe der Lean Methoden die Prozesse strukturiert und geordnet.
Die Wertschöpfung spiegelt sich dann in Form von Zeitersparnis, Kostenersparnis oder auch Entlastung, Ruhe und Zufriedenheit der Mitarbeiter wider. Dies bedeutet in weiterer Folge freie Kapazitäten und Ressourcen.
Auch hier ist es wichtig, mit kleinen Pilotprojekten zu beginnen. Testen Sie Ihr Vorhaben zunächst an einem kleinen Beispielprojekt. Definieren Sie hier eine Testphase von ca. 2 bis 3 Monaten. Die Testphase sollte auf keinen Fall abgebrochen werden, auch wenn das Beispielprojekt etwas holprig ist. Beseitigen Sie die Stolpersteine und nutzen Sie die Erkenntnisse für weitere, größere Projekte. Sie verbessern sich auch von Workshop zu Workshop, von Projekt zu Projekt. Im Lean Management geht es schließlich darum jeden Tag besser zu sein als am Tag zuvor und sich somit kontinuierlich zu verbessern.
Ihre Kathrin Wortmann und Ihr Lars Kinkeldey von der Freiraum Bande