Struktur. Wann wird der Lean Management Vorteil zum Nachteil?

Lean Management lebt von Struktur, Standards und definierten, schlanken Prozessen. Struktur ist somit auch ein wesentlicher Bestandteil eines effizienten Arbeitsplatzes. Sie hilft dabei, Prozesse zu optimieren, Zeit zu sparen und das allgemeine Arbeitsklima zu verbessern. Doch wie erkennt man den Punkt, an dem zu viel Struktur den gegenteiligen Effekt hat und die Mitarbeiter*innen sich bevormundet fühlen? Dies ist eine häufige Frage, die in der Lean Management Praxis immer wieder auftaucht. In diesem Beitrag gehen wir darauf ein, wie man ein gesundes Maß an Struktur findet und was passieren kann, wenn man diesen Punkt in Lean Projekten überschreitet.

Diese 5 Themenfelder geben Aufschluss ob das Maß der Strukturierung zu hoch ist

1. Die menschliche Ebene: Wertschätzung und Miteinander

Einer der wichtigsten Faktoren, der bei der Strukturierung eines Arbeitsplatzes berücksichtigt werden muss, ist die menschliche Ebene, das Miteinander. Es ist entscheidend, dass Mitarbeiter*innen*innen nicht das Gefühl bekommen, dass über ihren Kopf hinweg Entscheidungen getroffen werden. Dieses Gefühl kann schnell aufkommen, wenn etwa der Arbeitsplatz neu organisiert wird, ohne dass die betroffenen Mitarbeiter*innen*innen einbezogen werden. Noch problematischer wird es, wenn diese Änderungen klammheimlich während ihrer Abwesenheit, beispielsweise im Urlaub, vorgenommen werden. Wenn Mitarbeiter*innen nach ihrer Rückkehr feststellen, dass alles anders ist, ohne dass sie gefragt wurden, kann dies als Bevormundung empfunden werden und zu erheblicher Frustration führen.

Praxis-Tipp: Mitarbeiter*innen sollten immer aktiv in den Prozess der Arbeitsplatzgestaltung einbezogen werden. Wenn sie das Gefühl haben, gehört und beteiligt zu sein, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich bevormundet fühlen, deutlich geringer. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft ein höheres Maß an Struktur umzusetzen.

2. Transparenz und Hintergrundwissen

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Transparenz. Wenn Mitarbeiter*innen nicht wissen, warum bestimmte Änderungen vorgenommen werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sich bevormundet fühlen. Es ist daher entscheidend, den Hintergrund und die Ziele von Veränderungen klar zu kommunizieren. Wenn beispielsweise ein Arbeitsplatz so strukturiert werden soll, dass er für mehrere Personen nutzbar ist, sollte dies nachvollziehbar und verständlich vermittelt werden. Dies gilt besonders dann, wenn die Bedürfnisse verschiedener Mitarbeiter*innen berücksichtigt werden müssen – wie etwa unterschiedliche Körpergrößen oder ob jemand Rechts- oder Linkshänder ist. Je höher die Transparenz, desto größer ist in der Regel die Bereitschaft etwas zu verändern

Praxis-Tipp: Erklären Sie Ihren Mitarbeitern*innen, warum eine Umstrukturierung nötig ist, und bieten Sie ihnen die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen. Dadurch schaffen Sie ein Verständnis für die Maßnahme und minimieren Widerstände.

3. Gefahr der Selbstverwirklichung auf Kosten der Mitarbeiter*innen

In manchen Fällen kann es vorkommen, dass Führungskräfte oder Projektleiter*innen ihre eigenen Vorstellungen und Ideen zu stark durchsetzen wollen, ohne dabei auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen zu achten. Schnell ist jemand im „Lean Tunnel“ und optimiert bis ins letzte Detail. Dies geschieht oft unbewusst und nicht aus böser Absicht. Dennoch kann es dazu führen, dass Strukturen geschaffen werden, die den tatsächlichen Anforderungen am Arbeitsplatz nicht gerecht werden. Dies war beispielsweise in einem Fall so, in dem ein Arbeitsplatz vollständig auf Rechtshänder ausgerichtet wurde, obwohl auch Linkshänder dort arbeiteten. Dies führte zu Unzufriedenheit und zusätzlichen Schwierigkeiten für die betroffenen Mitarbeiter*innen.

Praxis-Tipp: Bevor Sie eine Umstrukturierung durchsetzen, holen Sie sich Feedback von denjenigen, die direkt davon betroffen sind. So können Sie sicherstellen, dass die Änderungen auch wirklich sinnvoll und für alle praktikabel sind.

4. Der Flurfunk als Indikator für Überstrukturierung

Ein weiteres Anzeichen dafür, dass ein Arbeitsplatz zu stark strukturiert wurde, ist die Stimmung im Team und der sogenannte Flurfunk. Wenn Sie bemerken, dass Mitarbeiter*innen zunehmend unzufrieden sind oder sich über die eingeführten Änderungen beschweren, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass die Strukturierungsmaßnahmen zu weit gegangen sind. In diesem Fall wurde Lean Management und die einzelnen Strukturierungsschritte zu detailverliebt angewendet. Besonders kritisch wird es, wenn diese Unzufriedenheit auf andere Bereiche übergreift und sich die Mitarbeiter*innen generell gegen weitere Änderungen sträuben.

Praxis-Tipp: Hören Sie auf die Stimmung im Team und nehmen Sie Beschwerden ernst. Manchmal kann es sinnvoll sein, Strukturierungsmaßnahmen zu überdenken oder anzupassen, um die Akzeptanz im Team zu erhöhen. Ein kleiner Rückschritt in der Struktur bringt einen riesen Fortschritt im Team!

5. Das richtige Maß finden

Letztlich geht es darum, das richtige Maß an Struktur zu finden. Es gibt Fälle, in denen 80% der möglichen Verbesserung völlig ausreichend sind und der zusätzliche Aufwand für die letzten 20% nicht gerechtfertigt ist. Diese zusätzliche Struktur kann schnell als übertrieben und unnötig empfunden werden, was wiederum die Motivation der Mitarbeiter*innen negativ beeinflussen kann.

Praxis-Tipp: Überlegen Sie genau, welche Verbesserungen wirklich notwendig sind und welche vielleicht überflüssig sein könnten. Wenn der Aufwand die potenziellen Vorteile übersteigt, könnte es sinnvoller sein, den Fokus auf andere Bereiche oder andere Prozesse zu legen, die noch optimiert werden müssen.

Unser Fazit zum Thema zu viel Struktur

Zu viel Struktur am Arbeitsplatz kann kontraproduktiv sein, wenn sie die Mitarbeiter*innen in ihrer Selbstständigkeit einschränkt oder sie das Gefühl haben, nicht ausreichend eingebunden zu sein. Transparenz, Kommunikation und das Einbeziehen der betroffenen Mitarbeiter*innen sind entscheidende Faktoren, um dies zu vermeiden. Achten Sie zudem auf die Stimmung im Team und seien Sie bereit, Anpassungen vorzunehmen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die Strukturierung zu weit gegangen ist. So stellen Sie sicher, dass Struktur nicht zur Bevormundung wird, sondern tatsächlich den gewünschten positiven Effekt erzielt.

Weitere Impulse zu diesem Thema gibt es in unserem Podcast No More Kuddelmuddel – Lean Management auf Deutsch. Unsere Ideen und Gedanken speziell zu diesem Blogartikel gibt es in der Folge #039. Wir hoffen sehr, dass unsere Gedanken und Tipps Sie inspirieren das Thema Lean Management auch in Ihrem Unternehmen anzugehen, so dass es auch bald bei Ihnen „No More Kuddelmuddel“ heißt.

Über die Freiraum Bande

Die Freiraum Bande das sind wir, Kathrin Wortmann und Lars Kinkeldey. Wir machen Lean Management für die Industrie. Ohne Fachchinesisch, einfach, praxistauglich und für die direkte Umsetzung im Arbeitsalltag. Kurse und individuelle Lean Projekte für diejenigen, die ihre Lean Reise starten wollen.

Wir sind Hosts des Podcasts No More Kuddelmuddel – Lean Management auf Deutsch und schreiben hier in unserem Blog regelmäßig über Lean Themen die unsere Kunden, unser Netzwerk und uns beschäftigen.

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Lars Kinkeldey

ist Spezialist für Lean Management in der Industrie mit 25 Jahren Lean Management Erfahrung.

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